Antrag: Hohes Sicherheitsrisiko durch Geldautomatensprengungen für Anwohner und Einsatzkräfte – Tatanreize durch gesetzliche Vorgabe zum besseren Schutz von Geldautomaten beenden

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Der Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Zahl der besonders schweren Fälle des Diebstahls durch Sprengung von Geldausgabeautomaten (GAA) hat in diesem Jahr einen noch nie da gewesenen Höchststand mit über 60 gesprengten Geldautomaten in Niedersachsen erreicht. Durch die zunehmende Verwendung von Festsprengstoffen sind die Gefahren für Leib und Leben der Anwohnerschaft und der Passanten weiter stark angestiegen. Dass es bisher zu keinen lebensbedrohlichen Verletzungen von Personen gekommen ist, scheint lediglich dem Zufall geschuldet zu sein. Hinzu kommt, dass auch die Einsatzkräf­te von Feuerwehr und Polizei einer hohen Gesundheitsgefährdung ausgesetzt sind und die Täter durch ihr rücksichtsloses Fluchtverhalten mit hochmotorisierten Fahrzeugen eine erhebliche Straßenverkehrsgefährdung für die Allgemeinheit auslösen. Zudem stellt die starke Zunahme der oft aufwändigen Ermittlungsmaßnahmen verursachenden Taten eine hohe personelle Belastung für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte dar. Auch für 2022 muss davon ausgegangen werden, dass bundesweit durch die festgestellten Geldautomatensprengungen Begleitschäden im mittleren zweistelligen Millionenbereich entstanden sind.

Da die Täter zum überwiegenden Teil aus den Niederlanden heraus operieren, ist unser Bundesland besonders betroffen. Hierbei zeigt sich, dass die Täter aufgrund neuer technischer Sicherungsmaßnahmen der Geldautomaten in den Beneluxländern zunehmend in die angrenzenden westdeutschen Bundesländer „verdrängt“ wurden. Dem aktuellen Bundeslagebild des BKA (2021) nach ist Niedersachsen neben Nordrhein-Westfalen und Hessen ein Brennpunkt bei den Automatensprengungen in Deutschland.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) mit seinen Spezialistinnen und Spezialisten widmet sich in enger Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften, insbesondere mit der seit dem 01.12.2022 eingerichteten Zentralstelle zur Bekämpfung von Geldausgabeautomatensprengungen bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück, den Ermittlerinnen und Ermittlern der Zentralen Kriminalinspektionen und den Einsatzbereichen der Polizeidirektionen sowie den nationalen und internationalen Sicherheitspartnern der Bekämpfung dieses Phänomens mit hohem Engagement und einer Vielzahl von Maßnahmen.

Die erneute Zunahme der festgestellten Geldautomatensprengungen deutet jedoch darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen noch nicht ausreichen und in erster Linie die Tatanreize weiter gesenkt werden müssen. Erfahrungen aus den Niederlanden zeigen, dass neben der Verbesserung mechanischer Schutzmaßnahmen insbesondere mit dem Einbau von Einfärbe- oder Verklebesystemen ein signifikanter Rückgang der Sprengungen verzeichnet wurde. Neben einer intensiven Strafverfolgung kommt der Anwendung von effektiven Präventions- und Sicherungsmaßnahmen der Geldinstitute und der Geldautomatenhersteller eine besondere Bedeutung zu.

 

Der Landtag begrüßt daher die von Innenminister Pistorius im Sommer initiierte Kooperation zwischen Polizei und der Banken-/Kreditwirtschaft für eine zunächst auf freiwillige Basis entschlossenere präventive Bekämpfung des Phänomens auf Seiten der Automatenbetreiber. Auch die gemeinsame Erklärung des „Runden Tisches Geldautomatensprengungen“ auf Betreiben der Bundesinnenministerin mit Vertreter*innen der Deutschen Kreditwirtschaft, der Deutschen Bundesbank sowie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft Anfang November wird als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Analog zu dem von Niedersachsen vorangetriebenen Beschluss der Innenministerinnen und Innenministern und -senatorinnen und -senatoren Anfang Dezember wird der Erfolg im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität maßgeblich von der raschen Umsetzung der vom Runden Tisch beschriebenen Maßnahmen der Banken und Kreditwirtschaft abhängen. Dabei müssen auch gesetzliche Verpflichtungen erwogen werden.

Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf:

  1. den Verfolgungsdruck auf die Täter von Geldautomatensprengungen weiter zu erhöhen und das LKA Niedersachsen bei der Umsetzung seines 5-Punkte-Plans zur landesweiten Bekämpfung des Phänomens effektiv zu unterstützen,
  2. der Polizei dafür die erforderlichen personellen und materiellen Ressourcen zur effektiven Kriminalitätsbekämpfung sowie Erhöhung des Fahndungsdrucks weiterhin einzuräumen und ggf. weiter auszubauen. Analog dazu sind auch die Gerichte und Staatsanwaltschaften entsprechend personell zu verstärken,
  3. die Geld- und Finanzinstitute bei der Erstellung standortabhängiger Sicherungskonzeptionen durch die Polizei zu unterstützen und ihnen auch auf Basis von best practice Erfahrungen Maßnahmen zur Reduzierung von Tatgelegenheiten und Tatanreizen sowie potenzieller Personenschäden zu empfehlen,
  4. sich unabhängig von der freiwilligen Selbstverpflichtung des „Runden Tisches Geldautomatensprengungen“ auf Bundesebene im Bundesrat für eine zeitnahe gesetzliche Verpflichtung zum besseren technischen Schutz von Geldautomaten einzusetzen (u.a. durch den Einsatz von Nebelsystemen sowie Einfärbe- oder Klebesystemen).

Begründung

Trotz intensiver polizeilicher und justizieller Bemühungen der letzten Jahre sind die Fallzahlen von Geldautomatensprengungen bundesweit weiter gestiegen und das täterseitige Vorgehen immer skrupel- und rücksichtsloser geworden. Hierbei steht Niedersachsen im besonderen Fokus organisierter Tätergruppierungen, die aus dem benachbarten Ausland operieren. Angesichts dieser Entwicklung und der immensen Gefährdungen von Leib, Leben und Vermögenswerten erscheint die zielführende Bekämpfung des Phänomens ganz wesentlich durch eine massive technische Aufrüstung bzw. Sicherung der Geldautomaten durch die Betreiber und Hersteller möglich. Aufgrund der Verpflichtung aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) zur Herstellung und Nachrüstung von barrierefreien Geldautomaten bis spätestens 2040 muss ein Großteil der Geldautomaten ohnehin technisch verändert werden.

Insbesondere Einfärbe- oder Klebesysteme (mit aktiver oder passiver Auslösung) können eine generalpräventive Wirkung erzielen, indem der Tatanreiz durch die erhebliche Erschwerung der Verwertbarkeit der Beute deutlich verringert wird.

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