Antrag: Demokratie sichern, Menschenfeindlichkeit bekämpfen und die gesellschaftliche Vielfalt stärken: Niedersachsen braucht ein Landesdemokratiefördergesetz

Fraktion SPD
Fraktion Bündnis 90 / Die GRÜNEN

Demokratie sichern, Menschenfeindlichkeit bekämpfen und die gesellschaftliche Vielfalt stärken: Niedersachsen braucht ein Landesdemokratiefördergesetz

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

 

Unsere Demokratie steht unter Druck. Ob Corona-Pandemie, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die Terroranschläge der Hamas gegenüber Israel und seiner Bevölkerung oder langlebige Einstellungsmuster – Demokratie wird derzeit in besonderem Maße durch sich radikalisierende Menschen und Gruppierungen vor große Herausforderungen gestellt. In den sozialen Medien, auf Demonstrationen oder im Alltag wird gezielt versucht, Verschwörungsideologie, rassistische und antisemitische Hetze sowie menschen- und verfassungsfeindliches Gedankengut zu verbreiten. Der Rechtsextremismus, der all diese Einstellungen verbindet, stellt dabei zweifellos die größte Bedrohung der Demokratie dar und lässt sich dabei schon lange nicht mehr als Randphänomen begreifen. Vielmehr haben laut der jüngsten Mitte-Studie rechtsextreme und demokratiefeindliche Einstellungen zugenommen, insbesondere bei jungen Menschen. Um dieser Infragestellung demokratischer Grundwerte wirksam zu begegnen, ist Kontinuität und Weiterentwicklung von demokratiestärkender Präventionsarbeit entscheidend.

Der Bund hat hierbei mit dem Entwurf eines Bundesdemokratiefördergesetzes einen bedeutenden Schritt getan. Der Entwurf legt erstmals einen rechtlichen Auftrag fest, Demokratie zu fördern und zu stärken, politische Bildung zu betreiben, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen sowie Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Das Gesetz betont die Bedeutung verlässlicher und dauerhafter finanzieller Unterstützung für effektive präventive Arbeit auf nationaler Ebene durch zivilgesellschaftliche Akteure. Es hebt die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung, den Ländern, den Kommunen, von Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen hervor, um Expertise zu bündeln und lokale Herausforderungen anzugehen. Darüber hinaus fordert das Gesetz die Evaluation und enge wissenschaftliche Begleitung und Rückkopplung der umgesetzten Programme und Maßnahmen, um deren Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu bewerten.

Die niedersächsische Förderkulisse in den Bereichen Demokratie und Prävention baut bisher ebenso wie im Bund nicht auf einer rechtlichen Grundlage auf. Eine koordinierte und logische Zusammenführung von Ressourcen auf Basis eines eigenen Landesdemokratiefördergesetzes hätte den Vorteil, Verfahren zu vereinfachen und die zur Verfügung stehenden Mittel effektiv zu verteilen. Den Akteur*innen im Kampf für die Demokratie böte ein solches Gesetz Planungssicherheit und könnte so dem ständigen Verlust von Expertise in diesem Bereich begegnen.

Der Landtag begrüßt vor diesem Hintergrund

  1. die Fortführung und Stärkung der Landesprogramme „für Demokratie und Menschenrechte“ sowie des Landesprogramms „für Islamismusprävention“, welche derzeit insgesamt 230 Maßnahmen mit einem Volumen von jährlich rund 5,1 Millionen Euro Sachkosten unter Einsatz von 60 Landesbediensteten umsetzen,
  2. die Initiative der Landesregierung „Demokratisch gestalten“, welche unter anderem den Erlass zur Demokratiebildung, die Stärkung der Friedensbildung, den Ausbau der Kinderrechte und Partizipation im Grundschulbereich sowie die Auslobung eines Demokratie- und eines Nachhaltigkeitspreises beinhaltet,
  3. die Fortführung der Unterstützung für das Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sowie
  4. die Stärkung der unter Ministerpräsident Christian Wulff abgeschafften Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung Niedersachsen im Geschäftsbereich des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur.
  5. die Umsetzung des Landesaktionsplans gegen Rassismus
  6. die Fortführung und Stärkung der Maßnahmen zur Antisemitismusprävention
  7. die Fortführung und landesseitige Unterstützung der Umsetzung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ in Niedersachsen

 

Der Landtag bittet zudem die Landesregierung

  1. aufbauend auf dem Beispiel des Bundes ein Landesdemokratiefördergesetz zu entwickeln, welches die spezifischen Bedarfe des Landes Niedersachsen berücksichtigt und dabei folgende Aspekte einzubringen:
    1. Prävention von Radikalisierung durch Vermittlung von demokratische Grundwerten und rechtsstaatlichen Prinzipien wie Meinungsfreiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Achtung von Menschenrechten und der Würde aller Menschen,
    2. hier vor allem Bildung und Sensibilisierung durch Initiativen, die dazu beitragen, das Verständnis für demokratische Prozesse und die Bedeutung von Beteiligung und demokratischen Verfahren zu vertiefen,
    3. Bekämpfung von Menschenfeindlichkeit durch die Stärkung der wehrhaften Demokratie im Umgang mit Ideologien und Gruppierungen, die sich gegen die Menschenwürde als Kern unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung richten,
    4. Stärkung der Zivilgesellschaft durch die Unterstützung von Organisationen, Initiativen und Verbänden, die sich für Demokratiestärkung, soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Menschenrechte engagieren.
    5. Maßnahmen gegen die Radikalisierung junger Menschen durch die Stärkung von Beteiligungsrechten, sowie Unterstützung von Initiativen und Verbänden, die sich für die Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen und die Übernahme von altersgerechten Verantwortlichkeiten für die Gemeinschaft engagieren
    6. Stärkung des sozialen Lernens, insbesondere Förderung von Fertigkeiten bei Kindern und Jugendlichen, die der Entwicklung von Vorurteilen entgegenstehen,
    7. Ausbau von Diskriminierungsschutz und Beteiligungsmöglichkeiten für bisher wenig repräsentierte und marginalisierte Gruppen mit dem Ziel, gleichberechtigte Teilhabe und Inklusion zu verstärken.
    8. (Weiter)Entwicklung einer diskriminierungskritischen, inklusiven Perspektive in der politischen Bildung. Förderung einer rassismus- und diskriminierungskritischen Reflexion und Weiterentwicklung von Institutionen, Organisationen, Strukturen, Handlungsroutinen, Einstellungen und Haltungen.
    9. Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen durch neue Formen der Bürgerbeteiligung / Partizipation
    10. Stärkung von professionellen Strukturen der kommunalen Prävention und Demokratieförderung vor Ort in den Kommunen
    11. Entwicklung und Umsetzung von Handlungsstrategien zur Prävention von digitalen Radikalisierungsgefahren und Hass und Hetze im Netz
    12. Fortlaufende Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Wirksamkeit, bei der Weiterentwicklung der Maßnahmen zur Demokratieförderung und Extremismusprävention,
  2. die erfolgreichen Maßnahmen zur Demokratieförderung innerhalb der Polizei insbesondere zur Durchführung von Veranstaltungen und für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, Instituten, Stiftungen und Gedenkstätten mit einem erhöhten Ansatz zu fördern,
  3. Zivilgesellschaftliche Initiativen im Engagement für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit sowie Initiativen zur Antisemitismusprävention mit einem erhöhten Ansatz zu fördern,
  4. weiterhin die Einrichtungen der Erwachsenenbildung mit einem erhöhten Ansatz zu unterstützen, da sie einen großen Anteil daran haben, Menschen demokratische Teilhabe zu ermöglichen,
  5. die Angebote des Landespräventionsrates zur Demokratieförderung und Extremismusprävention mit einem erhöhten Ansatz zu fördern.
  6. die Projekte der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung weiterhin in einem erhöhten Ansatz zu fördern sowie
  7. die Erinnerungskultur insbesondere durch einen erhöhten Ansatz in der Förderung der dezentral organisierten, niedersächsischen Gedenkstätten für breite Teile der Gesellschaft erlebbarer zu machen und dabei verschiedene Opfergruppen multiperspektivisch und diversitätsorientiert zu berücksichtigen und die deutsche Kolonialgeschichte einzubeziehen.

 

Begründung

Unser Antrag zielt darauf ab, die Demokratie in Niedersachsen in herausfordernden Zeiten deutlich zu stärken und unsere Bildungsträger und unsere zivilgesellschaftlichen Kooperationspartner*innen in der politischen Bildungsarbeit nachhaltig zu unterstützen. Demokratie basiert auf Prinzipien wie Meinungsfreiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Achtung von Menschenrechten. Diese Werte werden idealerweise im Verbund staatlicher und zivilgesellschaftlicher Initiativen geschützt und gefördert. Dies, um die Stabilität unserer Gesellschaft zu gewährleisten und die freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen, die sich zentral aus der Menschenwürde, dem Rechtstaats- und dem Demokratieprinzip ergibt.

Um die gesellschaftliche Daueraufgabe des Demokratielernens und Demokratieverteidigens abzusichern und zu verstetigen, sind Förderprogramme für Demokratie unabdingbar. Demokratieförderung zielt auf den Ausbau einer demokratisch-menschenrechtsorientierten Grundhaltung ab sowie auf eine angemessene Auseinandersetzung mit der Verwobenheit von Rechtsextremismus mit Antisemitismus sowie den verschiedenen Erscheinungsformen von Rassismus und Diskriminierung. Ziel muss sein, die Grundlagen der Demokratie zu festigen, menschenfeindliche Einstellungsmuster und verfassungsfeindliche Bedrohungen zu minimieren und insgesamt für eine Gesellschaft zu werben, die auf dem Respekt vor den Rechten und Freiheiten aller Bürger*innen basiert. Sie sind ein wichtiger Bestandteil im Schutz und in der Stärkung von demokratischen Werten, Institutionen und Verfahren.

Insgesamt trüge ein Demokratiefördergesetz in Ergänzung zum Entwurf des Bundes dazu bei, die Grundlagen unserer Demokratie, unsere Verfassung und die Unteilbarkeit der Menschenwürde als deren zentraler Ausgangspunkt zu schützen und zu stärken, verfassungsfeindliche Bedrohungen zu bekämpfen und eine Gesellschaft der Vielen zu stärken. Ein niedersächsisches Demokratiefördergesetz ist ein wichtiges Instrument und Signal zugleich, dass uns die von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes in Auftrag gegebene wehrhafte Verteidigung unserer Demokratie zentrales Anliegen ist.

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