Neben allen ökologischen und sozialen Herausforderungen, die uns die Klima- und Energiekrise stellt, ist und bleibt die Verteidigung unserer Demokratie und der offenen Gesellschaft eine Dauerherausforderung. Als Demokratieforscher, der viele Jahre zur rechten Bedrohung der Demokratie gearbeitet hat ist mir der Kampf gegen die massiven rechten Angriffe auf die Demokratie ein Herzensanliegen. Die Gefahren sind vielfältig und in den vergangenen Jahren nicht nur wieder sichtbarer geworden - rechte Einstellungsmuster waren schließlich nie verschwunden - sondern auch wieder salonfähiger.
Was ich als Wissenschaftler seit Jahren beobachte und kritisiere, ist eine Normalisierung rechten Denkens, die spätestens mit den sogenannten "Pegida"-Aufmärschen die Debatten in der Bundesrepublik verändert haben. Menschenfeindliche Positionen sind wieder sagbarer geworden, extrem rechte Parteien wie die AfD sind wieder in Parlamente eingezogen und vergiften seitdem den politischen Diskurs.
Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffkrieges auf die Ukraine ist klar: es ist für mich kein Selbstzweck, dagegen zu kämpfen, dass Querdenker*innen hinter antisemitischen Parolen herziehen oder Reichsbürger*innen und völkische Siedler*innen rechte Parallel- und Erlebniswelten aufbauen. Es ist vielmehr unser aller Aufgabe als Demokrat*innen, bei jeder Gelegenheit, klar und unmissverständlich rechtes und verschwörungstheoretisches Denken auszugrenzen, weil dieses - Hanau, Halle, der NSU, der Mord an Walter Lübcke oder die Attacken auf queere Menschen während der CSDs in den letzten Jahren mögen uns als Beispiele mahnen - immer in rechtem Terror, in rechten Morden endet und seit jüngesten sogar den Zusammenhalt und Frieden in Europa bedroht.
Deshalb gilt es, Demokratie wehrhaft zu halten und die Haltekräfte der Demokratie zu stärken. Was alles dazugehört, beschreibe ich in hier.
Längst wissen wir, dass es direkte und indirekte Verbindungslinien zwischen der AfD und rechten Terror und Verschwörungstheoretiker*innen gibt. Umso unerträglicher ist es, dass diese Partei weiterhin in Parlamenten sitzt und extrem rechte Kader anstellt und finanziert. Deshalb setze ich mich dafür ein, in einem ersten Schritt den Ausschluss der AfD und ihrer Parteistiftung durch ein entsprechendes Verfahren von der Parteienfinanzierung am Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Dieser Schritt muss gut vorbereitet sein und es gilt breite politische Bündnisse zu organisieren. Sollte dieser Schritt erfolgreich sein, so werde ich dafür werben, in einem zweiten, konsequenten Schritt auch ein ordentliches Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anzustrengen. Bis dahin gilt es, die AfD und auch alle anderen extrem rechte Parteien konsequent auszugrenzen, überall und jederzeit. Das ist in demokratietheoretischer Abwägung allemal der bessere Weg, als der Diskursverschiebung nach rechts tatenlos zuzusehen oder Positionen der AfD durch Übernahme zu bekämpfen. Denn das zeigen alle Erfahrungen und Befunde, am Ende gewinnt immer das rechtsextreme Original.
VS abschaffen, sofort! Ja, das wäre eine schöne Vorstellung. Und die Argumente dafür liegen auf der Hand. Für mögliche weitreichende juristische Schritte bräuchte es bei weitem nicht die Beobachtung und Sammlung durch den Verfassungsschutz. Journalismus, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie antifaschistische Recherchezusammenhänge haben längst genug Material über die AfD gesammelt. Anders als der Verfassungsschutz haben diese Gruppen sich nicht jahrelang davon blenden lassen, dass Leute wie Meuthen* das Feigenblatt für ein völkisches, demokratiegefährdendes Projekt wie die AfD abgegeben haben. Kritisch betrachten muss man überdies den Einsatz von V-Leuten. Denn damit finanziert man letztlich mit staatlichen Mitteln den parlamentarischen Arm des rechten Terrors und man gefährdet, analog zum ersten NPD-Verbotsverfahren, den Erfolg eines möglichen Verbotsverfahrens gegen die AfD. Dennoch werden wir zur Prävention rechten Terrors Mittel der Beobachtung benötigen. Insofern werbe ich dafür, in einem sehr eng gesteckten und parlamentarisch engmaschig kontrollierten und wissenschaftlich begleiteten Rahmen, extrem rechte Zusammenhänge nicht aus dem Auge zu verlieren. Langfristig aber halte ich eine grundlegende Reform der Sicherheitsarchitektur für dringend geboten.
* Jörg Meuthen - Mitglied im Europäischem Parlament und Spitzenkandidat der AfD im Europawahl 2019
Ich halte ein Landesdemokratiefördergesetz, welches zivilgesellschaftliche Demokratiearbeit langfristig auf ein stabiles und abgesichertes Fundament stellt, für unerlässlich. Aus Jahren meiner an Projekte gebundenen Tätigkeit an der Universität weiß ich um die Probleme, die aus Projektförderung anstelle von Grundfinanzierung entstehen. Frust, Personalflucht, ständiger Wechsel und Verlust von Wissen sind eines der größten Probleme bei der zivilgesellschaftlichen und (außer-)universitären Demokratiebildung und -förderung. Dabei denke ich, wie unser Wahlprogramm auch ausführt, an große, etablierte Einrichtungen ebenso wie an kleinere Initiativen, die unerlässliche Bündnispartner*innen im Kampf gegen rechte Strukturen sind. Hier (finanziell) verlässlich und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten halte ich für unerlässlich, Generalverdachte gegen Initiativen hingegen für schnell abzustellende Praxis. Wichtiger Teil der Demokratiebildung muss die Landeszentrale für Politische Bildung sein, als Netzwerk und als digitales Drehkreuz, deutlich besser ausgestattet als heute. Denn schließlich ist politische Bildung ein zentraler Schlüssel im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit und für demokratische Resilienz.
Weil konsequente Ausgrenzung rechten Denkens leider nicht automatisch rechte Einstellungsmuster verschwinden lässt, werde ich mich in Anlehnung an unser Wahlprogramm für den Ausbau der Erinnerungskultur einsetzen. Denn nichts imprägniert Gesellschaft mehr gegen rechtes Denken als eine breit gelebte, aktive, politisch geförderte & zivilgesellschaftlich getragene Erinnerungs- und Gedenkstättenkultur. Und Politik, die sich unmissverständlich an die Seite der Zivilgesellschaft stellt. Hier sind wir als Grüne vollkommen klar, sowohl was die Nähe zur Zivilgesellschaft angeht als auch was das Zurückweisen rechter Diskursverschiebungen angeht. Vielfältige Formen des Erinnerns in Schulen, Bildungsstätten, Kommunen und Gedenkstätten treffen dabei auf den Verlust von für die Erinnerungskultur so wichtigen Zeitzeug*innen, weshalb die Förderung von Gedenkstätten und Lernorten an Original(schau)-plätzen immens wichtig ist. Daneben gilt es die noch zu vielen Lücken in der NS-Forschung, insbesondere in öffentlichen Einrichtungen, voranzutreiben.