Michael Lühmann: Rede zu "Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte wirksam bekämpfen..." (Antrag SPD/GRÜNE)
TOP 13: Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte wirksam bekämpfen und ihr präventiv begegnen (Antr. SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg:innen,
Erneut reden wir hier im Plenum über Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte und ich würde mir wünschen, wir müssten das nicht tun, weil sich die Erkenntnis noch bei jedem durchgesetzt hat, dass man helfende Hände nicht schlägt. Aber leider müssen wir, auch wenn die statistische Lage dazu herausfordernd ist, feststellen, dass diese Form der Gewalt weiterhin in viel zu hohem Maße auftritt. Von hier aus daher mein Dank an alle Einsatz- und Rettungskräfte, die jeden Tag und jede Nacht rausfahren und ihre Aufgaben erfüllen und deshalb haben die Kolleg:innen bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten unsere volle Solidarität und unsere politische Aufmerksamkeit für dieses Thema verdient.
Ich bin vor wenigen Tagen nachts als Einsatzbegleitung in der PI Göttingen mitgefahren, um mir selbst ein Bild vor Ort zu machen. Und was ich da erlebt habe, das hat mich tief beeindruckt, die Ruhe, die Professionalität, trotz einer sehr herausfordernden Situation die Lage kommunikativ zu deeskalieren, das Zusammenspiel von Polizei und Rettungsdienst und aufnehmendem Krankenhaus, das war für mich als Beobachter schon beeindruckend. Aber so laufen Einsätze natürlich nicht immer, gerade mit Blick auf das kommende Einsatzgeschehen an Silvester wissen wir, dass die Situation unübersichtlicher sein dürfte.
Junge Männer mit Alkohol im Blut und Sprengstoff in der Hand, das wird immer wieder eine Herausforderung. Vor allem dann, wenn man die Erkenntnisse der Anhörung zu diesem Antrag hinzuzieht. Ich möchte vor allem an den herausfordernden Vortrag von Menno Baumann erinnern, der uns aus umfassender Forschungstätigkeit und Studienwissen berichtete, aus Befragungen von Tätern, dass diese sehr wohl wissen, was sie da tun, wenn sie bspw. Polizist:innen angreifen. Dass sie wissen, dass sie am Ende am Boden liegen, dass es rechtliche Folgen für sie haben wird, dass sie überproportional davon träumen, selbst Polizist:in zu werden. Dass Bodycams eher zu Eskalation beitragen, dass Dashcams nichts verhindern, aber helfen können bei der Strafverfolgung oder beim Verständnis von Gewaltprozessen.
Eben deshalb sind wir der Meinung, dass der Dialog mit unseren Rettungskräften intensiv fortgesetzt werden muss, dass wir noch mehr gesichertes Wissen über das Phänomen brauchen, gerade im Hinblick auf Phänomene wie sensation seeking, als Gewalt um der Bilder Willen. Oder Entsublimationsgewalt, als jener eruptiven Gewalt gegen Uniformträger:innen, die aus dem Gefühl eines Abgehängtseins den Staat und seine Akteure treffen wollen. Oder spontane Synchronisation, also der Übergriff des Gewalthandelns auf Menschen, die das gar nicht vorhatten, aber mitgerissen werden.
Und wir brauchen mehr Nachbereitung, mehr Schulungen, mehr Unterstützung für unsere Einsatz- und Rettungs-kräfte, um deren Handlungssicherheit bestmöglich zu unterstützen und zu stärken, best practice einzuüben. Aber wir brauchen auch Rechtshilfe, einen Rechtsschutzfonds und psychosoziale Beratung, wenn es doch zum Übergriff gekommen ist.
Nicht zuletzt, und hier liegt ein starker Fokus, bedarf es viel mehr Prävention, sei es durch frühe Begegnung in zivil, sei es durch Austausch, sei es durch Programme wie das großartige Programm brothers, das ich in Hann. Münden gemeinsam mit Stephan Weil und Gerd Hujahn besuchen durfte. Aber auch die Möglichkeit, Täter etwa über verpflichtende Hospitationen dazu zu bringen, sich dort, wo die Bereitschaft seitens der Rettungs- und Einsatzkräfte besteht, in jenen Kontexten einzubringen, die man zuvor angegriffen hat.
Wir werden damit das Phänomen nicht über Nacht beseitigen, aber wir legen hier einen ganzen Katalog an Maßnahmen vor, von denen wir mit einigem wissenschaftlichen Fundament ausgehen können, dass es Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte immer weiter eindämmen kann.
Damit helfende Hände ergriffen werden, statt geschlagen. Herzlichen Dank.