Michael Lühmann: Rede zu "Hohes Sicherheitsrisiko durch Geldautomatensprengungen für Anwohner und Einsatzkräfte..." (Antrag SPD/GRÜNE)
TOP 13: Hohes Sicherheitsrisiko durch Geldautomatensprengungen für Anwohner und Einsatzkräfte - Tatanreize durch gesetzliche Vorgabe zum besseren Schutz von Geldautomaten beenden (Antrag SPD/GRÜNE)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
2005 vermeldeten die Ruhrnachrichten die erste Geldautomatensprengung in der Bundesrepublik. So zumindest steht es im Wikipedia-Artikel zu Automatensprengungen und das verweist uns direkt auf die Relevanz des Antrages.
Erstens, das Thema Automatensprengung ist trotz allen Bemühens auch 17 Jahre später nicht gelöst. Und zweitens, es ist so relevant, dass es einen eigenen Wikipedia-Artikel hat. Leider muss man sagen, zu Recht. Fast 800 Sprengungen schlagen in 2020 und 2021 zu Buche, eine Trendumkehr scheint in weiter Ferne.
Im Gegenteil, die Sprengungen nehmen nicht nur ständig zu oder verharren auf sehr hohem Niveau, sie werden auch immer gefährlicher. Denn immer häufiger nutzen die Angreifer Festsprengstoffe, weil das Sprengen durch Gasgemische seitens der Banken erschwert wurde. Durch den Einbau von Gasneutralisationssystemen. Ich will Sie mit den Feinheiten dieses lernenden Systems nicht langweilen, klar ist aber doch schon jetzt:
Der Wettlauf von Systemen, die Automatensprengungen erschweren, verschafft nur kurze Verschnaufpausen und erhöht letztlich nur den Risikoeinsatz. Und somit auch das Risiko von Verletzungen Unbeteiligter.
Was also kann man tun? Im Groben drei Dinge. Erstens, die Sicherung der Automaten erhöhen, zweitens Filialen nachts schließen und/oder besonders gefährdete Automatenstandorte schließen. Drittens, den Verfolgungsdruck erhöhen oder aber viertens auf Einfärbe- und Verklebesysteme setzen.
Ersteres wird zwar weiter erörtert, aber wenn man die bisherige Entwicklung ernsthaft betrachtet, liegt der einzige Schluss nahe, dass auf Erschwerungen eher mit schwereren Mitteln reagiert wird. Was in letzter Konsequenz die Gefährdung Unbeteiligter erhöhen würde.
Auch Variante zwei hat viel Nachteile. Die ohnehin schon massive Ausdünnung des Netzes an Geldautomaten würde sich weiter fortsetzen, erwartbarerweise eher in den dünn besiedelten ländlichen Räumen, denn in den urbanen Zentren. Auch Nachtschließungen würden es Menschen erschweren, an Bargeld zu kommen, die HNA berichtete die Tage, dass sowohl die „Kurzentschlossene in Feierlaune“ als auch „Schichtarbeitende“ selbst mitten in Hannover immer schwerer an Bargeld kommen. Und Schließungen würden nicht zuletzt in urbanen Räumen auch Schutzräume für Menschen ohne Obdach nehmen.
Bliebe Variante drei, den Fahndungsdruck erhöhen. Das wird ja schon getan, per Schwerpunktstaatsanwaltschaft, per Austausch zu best practice. Und hier müssen wir sicher weiter überlegen, was kurzfristig an Unterstützung wirklich helfen kann – ob in puncto Beratung von Banken oder in puncto Ausrüstung, das ist ja wesentlicher Teil dieses Antrages.
Aber klar dürfte nach 17 Jahren Automatensprengung sein, dass wir am Ende eine echte Disruption brauchen, die eine generalpräventive Wirkung erzielt. In den Niederlanden, Frankreich und Belgien sind Geldeinfärbesysteme gesetzlich vorgeschrieben und haben damit leider auch dafür gesorgt, dass sich das Tatgeschehen unter anderem nach Niedersachsen verlagert hat.
Insofern, um Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte zu entlasten, Polizist:innen gefährliche Einsätze in diesem Zusammenhang zu ersparen und einsatz- oder tatbedingte Gefährdungen auszuschließen, werden wir uns dafür einsetzen, dass solche Systeme auch hierzulande zur Regel werden. Die meisten Geldautomaten müssen im Sinne der Inklusion und der Barrierefreiheit ohnehin in den kommenden Jahren umgerüstet werden.
Wir sind der festen Überzeugung, wo ein Wille, da ein Weg und wir machen diesen mit diesem Antrag sichtbarer und verbindlicher. Herzlichen Dank.