Michael Lühmann: Rede zu Rechtsextremismus und wehrhafter Demokratie (Antrag SPD/Grüne)

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Rede TOP 34: Niedersachsen ist und bleibt wehrhaft – rechtsextreme Straftaten konsequent bekämpfen und einordnen, Aufklärung über rechtsextremistische Bedrohungen vorantreiben und Sicherheitsbehörden stärken (Antr. SPD/Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg:innen,

die Zahlen für das Jahr 2023, sie sind erschreckend. Ein leider erkennbar dynamischer Anstieg von rechtsmotivierten Straftaten in Niedersachsen von 1.546 auf 2.245 Fälle, ein massiver Anstieg bei Rassismus um 122%, 89% beim Marker Fremdenfeindlichkeit, deutliche Zuwächse bei Queerfeindlichkeit und Antisemitismus. Auch wenn rechte Gewalttaten nicht gleichermaßen ansteigen, so wissen wir doch, dass vor Taten allzu oft Worte liegen. Die Ermordung Walter Lübckes ist dafür ein beredtes Beispiel dafür. Soweit die Zahlen, auf die wir als rot-grüne Landesregierung mit dem vorliegenden Antrag umgehend und entschieden reagieren und so unseren Kampf gegen Rechtsextremismus und für eine wehrhafte Demokratie konsequent weitergehen.

Bereits im November haben wir klare Signale hierfür ausgesendet, indem wir die Zivilgesellschaft gestärkt haben, die politische Bildung, die Gedenkstätten. Gerade letztere rücken wieder stark in den Fokus rechter Straftaten. Wir senden hier aus dem Landtag solidarische Grüße an die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und die vielen engagierten Menschen in der Gedenkstätten-arbeit und weisen die rechten und antisemitischen Angriffe in aller Entschiedenheit zurück.

Und wir haben nicht zuletzt ein Landesdemokratie-fördergesetz angekündigt, all das mit dem Ziel, die Zivilgesellschaft zu stärken, weil, mit Stephan Kramer und vielen anderen, eine aufgeklärte und wehrhafte Zivilgesellschaft der beste Verfassungsschutz ist.

Aber machen wir uns nichts vor, es wäre naiv zu glauben, der Kampf gegen rechte Straftaten wäre allein ein zivilgesellschaftlicher. Und deshalb bringen wir hier ein ganzes Paket auf den Weg, wie wir auf sicherheitsbehördlicher Ebene, aber auch auf der Wissensebene den Kampf gegen rechte Straftaten ergänzen und weiter konsequent vorantreiben.

Das heißt für uns, dass wir unsere Sicherheitsbehörden hier stärken werden und sie bei der Bekämpfung der vielfältigen und sich dynamisch wandelnden rechten Bedrohung durch ständige Aus- und Fortbildung dauerhaft unterstützen. In diesem Zusammenhang bitten wir die Landesregierung auch, sich auf Bundesebene weiterhin dafür einzusetzen, dass wir bei der statistischen Erfassung politisch motivierter Kriminalität den Phänomenbereich „nicht zuzuordnen“ weiter aufklaren. Hierfür liefern die Abschlussempfehlungen des NSU Untersuchungsausschusses gute Hinweise und ich weiß, dass sich unsere Innenministerin dafür schon länger engagiert einsetzt. Meinen Dank an Sie, Frau Ministerin Behrens.

Und ja, der entschiedene Kampf unserer Sicherheits-behörden schließt ein, dass wir gemeinsam schauen werden, wo wir im Bereich Verfassungsschutz womöglich nachsteuern müssen, bei Befugnissen und bei Personal. Wir wissen, wie sensibel dieser Bereich ist, aber wir wissen eben auch, wie groß die Bedrohung für unsere Demokratie von rechts ist und wir werden diese Schritte mit der notwendigen Sorgfalt gehen.

Nicht zuletzt bin ich sehr froh, dass wir mit diesem Antrag die Stärkung der Demokratie und die Aufklärung über tödliche rechte Gewalt durch wissenschaftliche Fundierung verlässlich stärken. Wir brauchen mehr Wissen über Demokratievorstellungen, über gelingende Verteidigung der Demokratie und wie wir Verfahren, Institutionen, Teilhabe und Vielfalt so vermitteln, dass wir Resilienz stärken. Es freut mich als Demokratieforscher, dass wir der Demokratieforschung in Niedersachsen einen so wichtigen Rang einräumen.

Ein letztes, und es ist mir und uns ein Herzensanliegen. Wir wollen nicht nur, dass Fodex noch einmal wissenschaftlich auf unser Wissen zum NSU schaut, sondern dass Fodex sich wissenschaftlich einer Neubewertung bisher so nicht einstufbarer rechter Todesfälle widmet. Die Anerkennung rechter Morde ist nicht nur eine Genugtuung für die Angehörigen der Opfer, die darunter endlich einen Strich ziehen wollen. Wir unterstützen damit letztlich auch eine darauf aufbauende lebendige, lokale Erinnerungskultur, eine der wichtigsten Maßnahmen für die Stärkung unserer Demokratie. Erinnern heißt kämpfen, so der Titel der zugehörigen Dauerausstellung und ich danke stellvertretend für viel zivilgesellschaftliches Engagement dem Bündnis WABE, der mobilen Beratung und dem Alex-Selchow-Projekt in Rosdorf, die jüngst Besuch hatten von der Polizeidirektion Göttingen.

Hier sehen wir, wie wir uns Kampf gegen Rechtsextremismus vorstellen: Zivilgesellschaft, Sicherheitsbehörden, Wissenschaft und Politik – Hand in Hand. Denn niemand von uns kann und darf neutral sein gegenüber den rechten Feinden der Verfassung.

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