Michael Lühmann: Rede zum AfD-Antrag auf Einsetzung eines 26. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

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TOP 6: AfD-Antrag auf Einsetzung eines 26. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Umgang der niedersächsischen Behörden und Gerichte mit dem tatverdächtigen Ausländer im Tötungsfall Liana K. seit seinem erstmaligen Angriff in Niedersachsen“

- Es gilt das gesprochene Wort -

Um es so deutlich wie möglich voranzustellen: Jedes Opfer grausamer Verbrechen verdient den gleichen Respekt und die gleiche sachliche Aufarbeitung und diese sachliche Aufklärung aller Umstände im Fall der in Friedland getöteten Liana ist und bleibt der Landesregierung und Rot-Grün zentrales Anliegen. Wir reden hier über eine schreckliche Tat, die nicht zu relativieren ist und wir sind in Gedanken bei der Familie des Opfers. Und wir arbeiten zugleich intensiv politisch weiter.

Wer nun aber, wie die Fraktion rechtsaußen, auf Basis des vorliegenden Kenntnisstandes nach einem Untersuchungsausschuss ruft, obwohl das Verfahren zur Akteneinsicht erst anläuft und die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, überzieht vollkommen und rein aus durchsichtigem politischen und populistischen Kalkül. Das ist so unangemessen wie beschämend zugleich.

Als ich 2002 an die Universität Göttingen kam und in der Einführungsvorlesung Politikwissenschaften bei Prof. Peter Lösche saß, war einer der ersten kritischen Hinweise der zu den Grenzen der Gewaltenteilung und der Hinweis auf vielfache Gewaltenverschränkung. Insofern es eine gewisse logische Verknüpfung von Landesregierung und regierungstragenden Fraktionen gibt, sind die Minderheitenrechte und die Fragerechte der Opposition ein hohes Gut.

Das hat uns auch der Präsident des Niedersächsischen Staatsgerichtshof Wilhelm Mestwerdt hier ins Stammbuch geschrieben. Zugleich ist es das Zusammenspiel parlamentarischer Mehrheiten auf der einen und parlamentarische Kontrolle auf der andere, das Vertrauen und Zustimmung in die Demokratie durch belastbare Verfahren sichert. Aber diese Kontrolle bedarf auch des verantwortlichen Umgangs und an der scheitern Sie wissentlich und willentlich vollkommen!

Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist ein wichtiges und ernstes Instrument der Kontrolle, aber nun mal kein Schauplatz für die Propaganda gesicherter Rechtsextremisten. Die AfD instrumentalisiert mit ihrer Forderung dieses parlamentarische Werkzeug, statt die Rechte der Opposition verantwortungsvoll zu nutzen. Ihre Fragen im Innenausschuss, Herr Bothe? Dürr und dünn, die Antwort meist vorwegnehmend. Ihre Nachfragen, eher unverschämt als aufhellend. Ihr Interesse an Aufklärung fiel weit hinter plumpe Angriffe zurück. Statt umfassende Anfragen zu stellen oder die Vorlage von Akten abzuwarten, fordern Sie einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Nicht weil es Ihnen um Aufklärung geht, sondern um Aufmerksamkeit, aber auf Kosten des Opfers. Der Kampf um die Parlamente, das von Ihnen übernommene, zentrale Strategieelement der NPD, verlangt nun mal nach dem „Parlament als Bühne für die öffentlichkeitswirksame Verbreitung eigener Inhalte, für Provokationen und nicht zuletzt als verlässliche Geldquelle.“

Es bleibt schlichtweg ein unwürdiges Spiel mit Aufmerksamkeit, das Sie hier betreiben, auch um die Union vor sich herzutreiben, die sich an der Stelle schon mal fragen muss, ob die selbst angestoßene Dynamik sachangemessen war und ist.

Kurzum, es ist entlarvend, was die AfD hier versucht, und um mit Umberto Ecos großem Vortrag zum 50. Jahrestag der Befreiung Italiens zu schließen: „Es ist unsere Pflicht, das, was sie hier strategisch und rhetorisch versuchen, zu entlarven und mit dem Finger darauf zu zeigen – jeden Tag und überall in der Welt.“

 Und da sind wir uns bei allem Streit in der Sache, unter den demokratischen Fraktionen hier im Landtag einig!

 

 

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