Michael Lühmann: Rede zum Entwurf eines Gesetzes zur Niedersächsischen Verfassung und des Niedersächsischen Volksabstimmungsgesetzes (Antr. AfD)

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der rechtsextreme Verdachtsfall uns hier heute dahingehend erleuchten will, wie unsere Demokratie zu stärken sei, obwohl die AfD dazu doch selbst einige Hausaufgaben zu erledigen hätte. Und das nach dem Auftritt der AfD im Verfassungsschutzausschuss, wo diese sich gleichzeitig zum „aufgelösten“ Flügel bekannte und gegen die Nennung im Rechtsextremismus-Kapitel zugleich aufbegehrte. Man steht ja manchmal ratlos, staunend und erschüttert zugleich daneben.

Und jetzt kommt von dieser AfD - wie immer unter großem sprachlichen Getöse - ein Gesetzentwurf, der nicht sie selbst, sondern unsere Verfassung quasi als Verdachtsfall markiert: „mitwirkungsfeindlich“, „einschränkend“, „entmutigend“, „abschreckend“ seien Verfassung und Volksabstimmungsgesetz; darunter macht es die AfD ja selten. Keine Frage, das Thema direkte Demokratie ist so wichtig wie hochinteressant und steht auch deshalb im Koalitionsvertrag. Demokratie- und verfassungstheoretische Debatten dazu füllen in Bibliotheken längst Regalmeter.

Dass sich die AfD für diese in irgendeiner Weise interessiert hätte, merkt man dem Gesetzentwurf indes nicht an. Der hat zwar die argumentative Sprunghöhe von Grundschulmathematik – ich teile mal alle Zahlen durch zwei und generiere ein Ergebnis – unfallfrei geschafft, aber ist schon an den ersten Schulstunden Geschichte und Politik mangels Interesse komplett gescheitert. Vom Scheitern der Weimarer Republik bis zum Brexit, über direkte Demokratie und Absenkung von Hürden lohnt jede Diskussion. Aber bitte nicht auf diesem argumentativen Null-Niveau. Schon gar nicht, wenn man so tief eingreift wie es die AfD in Art. 49 der Verfassung und Art. 33 Volksabstimmungsgesetz vorhat. Die Konsequenzen, wenn man den Zustimmungsvorbehalt streicht, dass wenigstens jede und jeder Vierte bei Volksentscheiden zustimmen muss, um Gesetze in Kraft zu setzen, die haben oder eher die wollten sie weder bedenken noch diskutieren.

Nochmals: Demokratie beteiligungsstärker auszugestalten, ist ein wichtiges Thema. Es hat ja Gründe, dass wir uns aktuell auf Seiten von Rot-Grün etwa Bürger:innenräten widmen. Aber das tun wir mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und nicht allein für TikTok oder weil es wieder Direktive aus Peking oder Moskau gab. Gerade aus Moskau, wo man direkte Demokratie vor der eigenen Tür nie zulassen, aber in ganz Europa Einfluss nehmen würde.

Eine ähnliche Doppelmoral gilt für die AfD hier. Nachdem sie etwa beim Versammlungsrecht zuletzt Beteiligung hat schleifen wollen oder davon träumt, Millionen Menschen zu deportieren, ist die plötzliche Entdeckung von Teilhabe als Kern der Demokratie wenig glaubwürdig.

Vielen Dank.

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