Michael Lühmann: Rede zum Fall Friedland (Aktuelle Stunde CDU)

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TOP 2a – Aktuelle Stunde der CDU zum Fall Friedland

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Dass wir heute den Plenarabschnitt mit dem tragischen und traurigen Tod einer jungen Frau eröffnen, ist ob der Schwere des Falls so richtig wie wichtig. Und erlauben Sie mir zunächst, von hier aus mein tiefes Mitgefühl für die Familie, die Freund*innen, die Angehörigen der 16-jährigen Ukrainerin auszudrücken.

Bei allem, was uns hier bei der Bewertung trennt, in der Trauer und in der Anteilnahme sind wir geeint. Ebenso in der ernsthaften Suche nach Ursachen für die Tat und nach Konsequenzen daraus.

Wir tragen als Politik besondere Verantwortung im Respekt gegenüber dem Opfer und deren Angehörigen, das vorliegende Wissen dahingehend zu sortieren, was schon ernsthaft bewertbar ist, was noch hinzugefügt werden muss und wo daraus möglicherweise Prozesse, Abläufe, Verfahren verbessert werden müssen. Aber das, und diesen Appell will ich uns allen ins Stammbuch schreiben, tun wir bitte nicht um der politischen Profilierung willen und schon gar nicht, um international orchestriert von rechtsaußen Hass zu bewirtschaften, auch auf Kosten von kommunalen Amts- und Mandatsträger*innen oder der Zivilgesellschaft vor Ort. Das Agieren von AfD, Nius, Musk und Co. macht einmal mehr sprachlos und ich werde nicht weiter darauf eingehen.

Kommen wir also zur Aktuellen Stunde, die die CDU hier angemeldet hat, die hier Gefahr läuft, verkürzende Parteipolitik und echtes Aufklärungsinteresse nicht klar genug zu trennen. Das war leider auch schon im Innenausschuss zu spüren. Dreimal fragte Kollegin Hermann etwa, ob die Landesaufnahmebehörde nicht hätte eine Frist zur Ausreise hätte setzen müssen, dreimal lautete die klare Antwort nein, zuständig ist das Bundesamt für Migration und Flucht wie bei Dublin Verfahren üblich. Und dann ist es unredlich, draußen der Presse zu erzählen, man hätte keine Antworten bekommen.

Es ist auch befremdlich von Behörden-Wirrwarr zu sprechen, während im Innenausschuss akribisch die Abläufe geschildert worden sind. Mag sein, dass die geteilten Zuständigkeiten zwischen BAMF, LABNI und kommunalen Ausländerbehörden oft zu kompliziert sind, oder man diese Abläufe als Politikerin einfach nicht versteht, aber das eigene vorgeblich fehlende Verständnis von behördlichen Abläufen den Mitarbeitenden in Behörden vorzuwerfen haben Landes- und Kommunalbedienstete nicht verdient. Und in der Pauschalität trifft der Vorwurf auch Polizei und Staatsanwaltschaft, die nach meinem Eindruck sehr gründlich und umfassend ermittelt sowie sensibel kommuniziert haben, mein Dank von dieser Stelle aus.

Und dort, wo mögliche offene Punkte identifiziert worden sind, sind alle Beteiligten längst im Dialog. Etwa die Landesaufnahmebehörde und das Amtsgericht Hannover, weil es im Interesse aller sein muss, dass Verfahren rechtsstaatlich und geordnet laufen. Gleiches gilt für mögliche Meldeketten und die übergreifende Zusammenarbeit von Behörden oder Anpassungen beim europäischen Asylsystem, dessen Auswirkungen bisher niemand abschätzen kann, und nicht zuletzt für die Frage des Gesundheitszustandes des mutmaßlichen Täters und dem behördlichen und gesellschaftlichen Umgang damit.

Und nicht nur dieser Punkt kommt leider viel zu kurz, zu Gunsten der Frage der Nationalität und des Bleibestatus des mutmaßlichen Täters, so die Direktorin des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Leibniz Universität Hannover, Professorin Susanne Beck: So nachvollziehbar die Suche nach Schuld, so verständlich der Wunsch der Gesellschaft nach der Distanzierung von Straftaten, warnt die Strafrechtlerin Politik vor der „simplen Logik, dass die Tat nicht passiert wäre, wenn wir diese Person wie geplant aus der Gesellschaft ausgeschlossen hätten“ weil es die „strukturellen Ursachen“ übersehe, etwa, dass Gewalt zumeist von Männern ausgehe und nicht selten eine unzureichende psychologische Versorgung vorliege.

Anders gesagt, so tragisch der Fall, so individuell dessen mögliche Verhütung, so wenig lässt sich und so wenig sollte hier pauschal aus der Kombination abgelehnter Asylbewerber, der sich Meldeauflagen entzieht oder Straftaten begeht, juristisch die Anordnung einer Fußfessel begründen, die nun einmal an hohe Hürden gebunden ist. 

Deswegen mein Appell, lassen Sie die Ermittlungskräfte ihre Arbeit machen, lassen Sie das Innenministerium die laufenden Gespräche zu Optimierungen fortsetzen, lassen Sie uns, und auch das läuft ja seit geraumer Zeit umfassend, die äußerst komplexe Reform des Niedersächsischen Psychisch Kranken Gesetz (PsychKG) vorantreiben, statt hier reflexhafte Profilierungsdebatten zu führen.

Was wir brauchen und was der Debatte hilft, ist Besonnenheit und Ernsthaftigkeit. Veranstaltungen mit rechtsoffenen Bundespolizisten aus NRW sind dabei ebenso wenig hilfreich wie die allzu plumpe Skandalisierung behördlicher Abläufe oder konkrete Schuldzuweisung an einzelne Parteien. Wir stehen hier in Verantwortung und als rot-grüne Koalition nehmen wir diese natürlich an und sind gern bereit, hier gemeinsam als Demokrat*innen zu handeln, wo es notwendig und angezeigt ist. Das sind wir den Angehörigen von Liana schuldig. Und das sind wir auch immer dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schuldig.

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