Michael Lühmann: Rede zur Akt. Stunde (CDU) zur Sicherheitspolitik

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TOP 4 a: Für mehr Sicherheit der Menschen in Niedersachsen – wo bleiben die konkreten Maßnahmen der Landesregierung (Akt. Std. CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg:innen,

Ein toter Polizist in Mannheim, drei Todesopfer, ein St-Pauli-Fan, ein Rocker & eine Apothekerin in Solingen, alle vier mutmaßlich Opfer islamistischen Terrors. Vor wenigen Tagen, zwei weitere Todesopfer nach einem Brandanschlag in Eberswalde, eine gerade erst aus der Türkei in Deutschland angekommene Mutter mit ihrem vierjährigen Sohn. Ein schwer Verletzter in der Uckermark.  Er hatte nur den Kopf geschüttelt, als Jugendliche ein rechtsradikales Lied von trauriger Berühmtheit sangen. Und vorgestern die Festnahme eines jungen Mannes, Teil der Troll-Gruppe NWO, verantwortlich für 26 Bomben-drohungen. Keine Frage, die freiheitlich demokratische Grundordnung, unser Rechtsstaat, unsere Demokratie stehen unter Druck in Zeiten von Terror & hybridem Krieg.

Und Sicherheit ist kein nice to have, kein Add on, sondern eine Grundvoraussetzung für Leben in Freiheit, ein zentrales menschliches Bedürfnis. Das Versprechen von Sicherheit ist etwas, woran wir uns als Politik auch messen lassen müssen.

Insofern ist es gut und richtig, dass wir über Sicherheit sprechen, aber dann bitte auch umfassend. Sicher in Zeiten des Wandels, der Titel des rot-grünen Koalitionsvertrages zeigt, wie breit unser gemeinsames Verständnis von Sicherheit ist. 

Bei allen Herausforderungen und erschütternden Taten, ich werde nicht in das Horn der Union stoßen, die die Sicherheit im Lande über Gebühr schlecht redet für billigen Applaus. Das Sicherheitsgefühl der Menschen, liebe Grüße vom ehemaligen Oldenburger Polizeipräsidenten Johann Kühme, das ist nichts, womit man spielt. Und die tägliche Arbeit unserer Polizei und Sicherheitsbehörden ist nichts, was man hierfür missbraucht.

Was also tun wir konkret? Zunächst, wir investieren, in unsere Polizei – in Zulagen, Ausstattung, Digitalisierung, Gebäude – denn zunächst ist Sicherheit eine Aufgabe der Exekutive. Aber reicht das? Ganz sicher nicht, um die Zeitenwende bei der Inneren Sicherheit wirklich mit Leben zu füllen. Denn Zeitenwende bedarf Summen, die wir als Land allein nicht stemmen werden, die wir mit einer Schuldenbremse nicht lösen werden.  

Was tun wir noch? Wir modernisieren zum Beispiel unser Verfassungsschutzgesetz. Und während Sie noch bei Problembeschreibungen sind – diese und jene Norm sei zu eng gestrickt – haben wir die Normen im Lichte der Rechtsprechung und der Bedarfe des Verfassungs-schutzes längst in einen Gesetzesentwurf überführt, aber das wissen Sie ja auch. Und wo Repression hilft – Verbot der DMG, Razzien gegen organisierte Kriminalität im Rechtsrock-Milieu, die niedersächsische Bundesratsinitiative gegen Messerkriminalität – dort setzen wir das um.

Und wir stärken ganz zentral die Prävention. Denn ganzheitliche Sicherheitspolitik gibt es nicht ohne Prävention. Leute ohne Uniform können genauso zur Sicherheit beitragen wie Leute in Uniform, so Terrorexperte Peter Neumann. Prävention ist und bleibt das Rezept gegen Radikalisierung und daraus folgender, eruptiver Gewalt. Es gilt, diese zu erkennen und im Vorfeld einzuhegen, im rechten Jugendclub ebenso wie in einer Geflüchtetenunterkunft oder im antisemitischen Lesezirkel.

Nicht zuletzt, werden wir uns mit der Radikalisierungswucht sozialer Medien befassen, mit Einflussoperationen aus islamistischen Terrorregimen oder dem Kreml. Gerade hier lauert doch eine der größten Gefahren, in den Hasskanälen von TikTok. Da wird gerade eine ganz neue Generation radikalisiert. Etwa zwei Drittel der im Bereich dschihadistischen Terrors Festgenommen sind Teenager. Auch die rechten Angriffe auf CSDs oder der gefasste NWO Aktivist – jung und männlich, im Netz radikalisiert.

Kurzum, wir brauchen weiterhin eine umfassende Debatte, die sich klar gegen islamistischen Terror, rechte Straßengewalt, fanatischen Antisemitismus, Hass im Netz stellt. Die sich mit der davorliegenden gesellschaftlichen Radikalisierung auseinandersetzt. Und hierfür werden wir ein Demokratiefördergesetz vorlegen und Zivilgesellschaft weiter unterstützen, das gilt auch ganz ausdrücklich für die Mobile Beratung, meinen Dank an dieser Stelle. 

Was hingegen wenig hilft ist das Reden über geschlossene Grenzen. Gerade heute, am 35. Jahrestag der ersten Montagsdemo in Leipzig 1989 unter dem Motto „Für ein offenes Land für frei Menschen“. Eine Idee, die ich von hier aus immer wieder gegen jedes falsche Versprechen von Sicherheit verteidigen werde. Gleiches gilt für Abschiebungen. Es war der Leiter Kommunikation von Frontex in Warschau, der uns seine Erschütterung über die Art der Debatte nach Solingen ins Stammbuch schrieb. Kurzum, das Thema Sicherheit und das Sicherheitsgefühl hier in Niedersachsen sind zu groß und zu ernst, um mit Scheinlösungen und Alarmismus aufzuwarten. Es ist aber auch zu groß und zu ernst, die Hände in den Schoß zu legen. Und das tun wir auch nicht.

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