Michael Lühmann: Rede zur Beflaggung in Niedersachsen (Antrag AfD)

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TOP 24: Keine ideologische Beflaggung vor Gebäuden des Landes Niedersachsen (Antr. AfD)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

einmal mehr zeigt sich am vorliegenden Antrag, dass ein mindestens schwieriges Verhältnis zum Kern unserer Verfassung mit der Unkenntnis über unsere Verfassungsordnung Hand in Hand gehen können, garniert mit einer Unkenntnis historischen Grundwissens und einem Unverständnis gesellschaftlicher Liberalisierung.

Schließlich, die von der AfD hier inkriminierte Pride Flag ist ja, und da komme ich zunächst zur Historie, gerade eine Reaktion gewesen auf die folgenschwere Markierung von schwulen Männern und lesbischen Frauen im Nationalsozialismus. Damit ist die Regenbogenflagge kein ideologisches Statement, sondern ein Symbol des Widerstandes gegen Diskriminierung, eine Erinnerung an düsterste Zeiten, ein Zeichen der Solidarität, eine Lehre aus der Geschichte. Das hat die Regenbogenflagge im Übrigen mit unserem Grundgesetz gemein, das ebenfalls einem „Nie wieder“ verpflichtet ist. Zugleich ist diese Flagge Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Liberalisierung seit den siebziger Jahren, deren Rückabwicklung ja erklärtes Ziel der AfD seit ihren Gründungstagen ist.

Und wo wir schon beim Grundgesetz und freiheitlich demokratischer Grundordnung sind. Ein Neutralitätsgebot staatlicher Stellen ist nicht Teil der FdGO. Die ist vielmehr in drei Kernprinzipien vom Bundesverfassungsgericht im 2. NPD Verbotsverfahren präzisiert worden und setzt sich aus der Menschenwürde, dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip zusammen. Erst vorgestern urteilte das VG Köln, dass ihr Jugendverband, die Junge Alternative gegen die ersten beiden Kernbestandteile der FdGO verstößt – und damit per Definition extremistisch ist, rechtsextremistisch. Und indem Sie sich hier nicht distanzieren, ist Ihnen das als Gesamtpartei zuzurechnen. Womit die Frage geklärt sein dürfte, wo Sie stehen.

Aber zurück zum Neutralitätsgebot, dass vor allem eine weltanschauliche Neutralität des Staates meint. Sie gilt aber ausdrücklich dann nicht, wenn die Würde des Menschen, die Gleichberechtigung aller Geschlechter, das Einstehen gegen rassistische Diskriminierung und weitere zentrale Verfassungswerte angegriffen werden. Gegenüber solchen Ansätzen kann und darf der Staat nicht neutral sein. Das haben Ihnen Johann Kühme und alle andere niedersächsischen Polizeipräsident:innen ja bereits mitgegeben, die Sie hier ebenso angreifen wie die Ansprechpartner:innen LSBTIQ in der niedersächsischen Polizei.

Und dass hinter dem Getöse dieses Antrags letztlich ein Angriff auf die Menschenwürde steht, das zeigen Sie ja mit der Broschüre, die Sie gerade in Niedersachsen an Haushalte verteilen und die völlig zu Recht Polizei und Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen hat. Und deshalb verhalten wir uns hier als Politik auch nicht neutral, sondern lehnen Ihren Antrag rundweg ab!

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