Michael Lühmann: Rede zur Erweiterung der Polizeilichen Kriminalstatistik
Rede TOP 26: Erweiterung der Polizeilichen Kriminalstatistik und weiterer polizeilicher Lagebilder (Antrag SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg:innen,
„Krisen, Kriege und die anhaltende Ausbreitung des Autoritarismus destabilisieren die Lage der Pressefreiheit so wie seit langem nicht mehr“ – das zeigt die diesjährige Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen: „Wie die aktuelle Nahaufnahme zeigt, fand mit 87 von 103 Fällen die Mehrheit der Attacken in verschwörungs-ideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten statt“ Das zeigt leider sehr deutlich, dass unser Antrag keine Sekunde zu spät kommt.
Aber wir sehen nicht nur massiv steigende Angriffe auf Journalist:innen, ähnlich massiv steigen auch Angriffe auf queere Menschen – in der Regel aus dem gleichen Milieu. Wir sehen überdies einen immer deutlicheren und sensibilisierteren Blick auf geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten, deren Bekämpfung die Innenminister:innenkonferenz bereits priorisiert hat.
Und wir sehen eine Debatte um Gewalt gegen Rettungs- und Einsatzkräfte, die auf bisweilen wenig gesichertem Wissen umso mehr wirksame Gegenmaßnahmen generiert, bevor überhaupt spezifische Lagebilder vorliegen. Und wir haben das wahrlich nicht neue Problem, dass die Differenz zwischen Hellfeld und Dunkelfeld in vielen Deliktbereichen groß ist und nicht zuletzt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in ihrer öffentlichen „Vermarktung und Bewertung“ durchaus anfällig ist für politisch interessierte Deutungen.
Dabei ist die PKS, bei allen Einschränkungen, richtig verstanden und gut ausdifferenziert, ein sensibles Instrument, um sich dem Kriminalitätsgeschehen anzunähern und einen Fokus auf Kriminalitätsphänomene zu legen. Gleiches gilt auf Ebene der Motivation auch für die Politisch Motivierte Kriminalität (PMK), also des kriminalpolizeilichen Meldedienstes zur politisch motivierten Kriminalität. Dies gilt überdies für Lagebilder, die sich etwa aus beiden unterschiedlichen Statistiken speisen können und bis zur Debatte von Verlaufsstatistiken fortgeführt werden könnte. Und dies gilt nicht zuletzt für Dunkelfeldstudien, die das bisweilen schmale Hellfeld ergänzen müssen.
Um bestehende Lücken zu schließen, wollen wir auf verschiedenen Ebenen Ergänzungen erreichen. So ist die genaue Erfassung von Angriffen auf Journalist:innen in der PMK nicht direkt möglich. Für die Bekämpfung von geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten wiederum stellte der Sachstandsbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe hingegen Anpassungsbedarfe in der PKS und in der PMK fest. In der PKS etwa könnten Beleidigungs- und Verleumdungsstraftaten um das Opfergeschlecht ergänzt werden um eine Zuordnung zum Phänomenbereich geschlechtsspezifischer Straftaten zu ermöglichen.
Parallel dazu sei in der PMK eine Ausdifferenzierung vorzunehmen. Gleiches gilt auch für die laut PKS und PMK stark steigende queerfeindliche Hasskriminalität. Ab dem 1. Januar 2022 wurde dieser Bereich u.a. durch das Themenfeld „Geschlechtsbezogene Diversität“ ergänzt, „was zukünftig eine noch genauere Erfassung dieser Hassdelikte ermöglichen wird. Insbesodere soweit sie sich gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität oder die (sonstige) nichtbinäre Geschlechtsidentität des Opfers richten.“ So der Stand der parallelen Gesetzgebungs-debatte auf Bundesebene.
Ziel dieser Entschließung ist also die Sicherstellung einer differenzierteren polizeilichen Erfassung, da aussage-kräftige Daten die Grundlage für gezielte Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen bilden. Dafür ist es auch unumgänglich, jenseits der Statistik bundesweite Dunkelfeldstudien zu verstärken, die den Blick über das erfasste Hellfeld hinaus wesentlich ergänzen.
Klar ist aber auch, jenseits höherer statistischer Klarheit, dass die genauere und bessere Erfassung auch dazu dient, die öffentliche Debatte zu sensibilisieren. Um auch die politische Debatte führen zu können, wie wir als Politik und Gesellschaft mit dem ansteigenden, auch tödlichen Hass gegen queere Menschen umgehen, mit zunehmender Gewalt gegen Journalist:innen vor allem in verschwörungsideologischen Kreisen und viel zu häufiger männlicher Gewalt gegen Frauen bis hin zu Femiziden.