Michael Lühmann: Rede zu Gefahren für die Demokratie (Antrag AfD)
TOP 12: Den Gefahren für die Demokratie entgegentreten – dem Links- und Klimaextremismus keinen Raum geben und analog zu anderen Extremismusformen bekämpfen (Antrag AfD)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg:innen,
„Weiterhin stellt die Agitation gegen Flüchtlinge & Migrant:innen ein zentrales und beständiges Thema der Verlautbarungen dar. Insbesondere Zuwanderern mit (vermeintlich) muslimischem Hintergrund werden in pauschaler Weise Negativeigenschaften zugesprochen, etwa ein überproportional stark ausgeprägter Hang zu Kriminalität und Gewalt.“ Was klingt wie Anträge und Reden der AfD hier im Haus, ist ein Teil der Begründung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, warum die Junge Alternative als gesichert rechtsextrem einzustufen ist.
Das muss man schon genauso wollen, wenige Tage nach einer solchen Einstufung der eigenen Jugendorganisation, dem Plenum hier zu erklären, dass man den Gefahren für die Demokratie entgegentreten wolle, um dann Jusos, Grüne Jugend und Klimaaktivist:innen zu adressieren.
Nicht weniger problematisch: Vor zwei Wochen treffen sich Teile Ihrer Fraktion mit einer Aktivistin des ebenfalls als gesichert rechtsextremistisch geltenden Kampagnen-netzwerkes Ein Prozent. Dass man Ihnen solche Verbindungen zurechnet, das wissen Sie ja aus Ihrer Anfrage, in der Ihnen auch der hiesige Verfassungsschutz bescheinigt, als niedersächsische AfD keine aktive Distanzierung von Extremisten vorzunehmen. Aber das muss uns heute weniger interessieren, das ist eher eine Frage, die für den Verfassungsschutz und später des Bundesverfassungsgerichtes relevant wird.
Widmen wir uns also einmal dem Inhalt Ihres Antrags, in dem u.a. fehlendes Wissen zum sog. Linksextremismus und zu Linker Militanz beklagt wird. Da haben Sie Glück, da kann ich helfen, ich habe ja die Bundesfachstelle Linke Militanz mit aufgebaut. Daher kann ich auch die Zahlen des BKA einordnen, die Sie hier selektiv nutzen, um eine tödliche Gefahr von links herbei zu phantasieren, die Sie mit dem Zerstören von Plakaten belegen, während Sie fünf Todesopfer rechts motivierter Gewalt in 2021 unerwähnt lassen.
Überdies: Es gibt keinen „Nachholbedarf“ oder „Wissenslücken“, sondern dass Wissenschaft den Begriff des Linksextremismus strittig stellt, liegt daran, dass bei intensiver Befassung mit linker Radikalität die Gegnerschaft zur freiheitlich demokratischen Grundordnung als Grundlegung nicht darstellbar ist. Anders als beim Rechtsextremismus ist der Angriff auf die Menschenwürde, den das Bundesverfassungsgericht ins Zentrum der FdGO gerückt hat, kein Wesensmerkmal linker Radikalität oder linker Militanz und schon gar nicht Wesensmerkmal von Klimaaktivismus.
Genau hier unterscheidet sich linkes und ökologisches von rechtem Denken, emanzipatorische Vorstellungen eines besseren Morgen von den Untiefen völkischen Denkens, wie es unsere Kultusministerin hier schon vor fünf Jahren vorgetragen hat und was ich als Demokratieforscher nur unterstreichen kann.
Es hat also seinen Grund, siehe auch die KfN Studie hierzu, von Linker Militanz statt von Extremismus zu sprechen, die zunächst eine unbedingte, eine kämpferische Haltung beschreibt, die auch in Gewalt gipfeln kann, aber nicht zwangsläufig muss. Eine Haltung, die aber, anders als die extreme Rechte, den Kernbestand unserer Verfassung, die Unantastbarkeit der Menschenwürde, nicht in Frage stellt, während rechte Ideologie am Ende immer auf die gewaltvolle Beseitigung der Demokratie zielt – Halle, Hanau, Lübcke, rechte Terrorpläne.
Und deswegen ist es richtig, dass Landespolitik und Sicherheitsbehörden Rechtsextremismus und rechten Terror viel stärker in den Blick nehmen, ebenso islamistischen Terror, weil beide sich Ideologien der Menschenfeindlichkeit und des Antisemitismus teilen. Gerade letzterer war und ist für Leute wie Horst Mahler, Jürgen Elsässer, Sahra Wagenknecht, Querdenker oder Reichsbürger die Brückenideologie, die letztlich immer in die extreme Rechte führt.
Also zur Jungen Alternative, zu Ein Prozent, zu Kubitschek und damit auch in das Vor-, Um- und Nahfeld Ihrer Partei und Ihrer Fraktion. Wenn Sie es also ernst meinen mit dem Schutz der Demokratie, dann fangen Sie an, vor Ihrer eigenen Haustür zu kehren. Und, naja, im Flur und im Treppenhaus auch.
Vielen Dank.