Statement:Tag der Deutschen Einheit - (k)ein deutscher Feiertag?
Als vor 33 Jahren die deutsche Teilung überwunden wurde, war es für mich ein schöner Tag. Im Alter von 10 Jahren zu erleben, dass der Staat unterging, der mich von Oma und Opa trennte, ein Land, dass mich als achtjährigen vor der Klasse anzählte, weil ich in die Kirche ging und nicht zu den Pionieren, ein Land, dessen Erziehungssystem auf Empathielosigkeit und Gewalt gründete, dem trauerte ich nicht nach. Und ich tue es heute nicht. Und doch will bei mir an keinem 3. Oktober Freudenstimmung aufkommen.
Als vor 33 Jahren die deutsche Teilung überwunden wurde, war es für mich ein schöner Tag. Im Alter von 10 Jahren zu erleben, dass der Staat unterging, der mich von Oma und Opa trennte, ein Land, dass mich als achtjährigen vor der Klasse anzählte, weil ich in die Kirche ging und nicht zu den Pionieren, ein Land, dessen Erziehungssystem auf Empathielosigkeit und Gewalt gründete, dem trauerte ich nicht nach. Und ich tue es heute nicht. Und doch will bei mir an keinem 3. Oktober Freudenstimmung aufkommen.
Die Einheit kam ja ohne besonderes Ereignis daher und ohne eigenes Zutun. Der 3. Oktober besitzt weder Geschichte noch Bedeutung. Es ist ein Verwaltungsakt gewesen, mehr nicht. Dem Tag der deutschen Einheit fehlt bis heute jener emanzipatorische (!) Pathos des Aufbruchs, der davor stand - als sich im Herbst 1989 die ostdeutsche Zivilgesellschaft erhob, um Menschenrechte und Freiheit zu erkämpfen, Demokratie und Menschenwürde. Die Einheit Kohls 1990 ist eben nicht die Revolution der Ostdeutschen 1989, jene Keimzelle eines besseren Morgens, auf den nicht nur der Westen skeptisch schaute, sondern auch die meisten Ostdeutschen hinter den Gardinen.
Einen anderen Punkt möchte ich herausheben: Die brutale Freisetzung rechter Gewalt, rechter Ideologeme und rechten Revisionismus. Wenn wir dieser Tage über den Rechtsruck sprechen, dann erinnere ich auch die ersten Republikaner-Aufkleber auf den Montagsdemos in Leipzig. Dann ist daran zu erinnern, dass Helmut Kohl lange mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie haderte. Und daran, dass in der Nacht zum 3. Oktober der Osten Deutschlands eine frühe, brutale Welle rechter Gewalt erlebte. Und kurz nach der Einwanderung von 16 Millionen Ostdeutschen in die westdeutschen Sozialsysteme eine Asyldebatte, an deren Ende Pogrome und Mordanschläge standen: Hoyerswerda, Mölln, Solingen, Lichtenhagen.
All das wurde auch freigesetzt im Umfeld des 3. Oktober. Diesen brutalen Teil deutsch-deutscher Geschichte zu erinnern, erst das würde den Feiertag zu einem Gedenktag machen, der uns alle mahnt. Es wäre bei den heutigen Debatten dringend nötig!